Fallbericht

Seetang mit septischen Folgen

Eine bis dato gesunde 27-jährige Frau stellt sich in der 14+1 Schwangerschaftswoche mit einem verhaltenem Abort in einer Klinik zur Kürettage vor. Zwei Tage vor dem Eingriff werden der jungen Frau zwei Laminaria-Stäbchen zur Dilatation des Zervikalkanals eingesetzt. Die Folgen sind gravierend.

©divedog/stock.adobe.com Laminaria hyperborea wird aufgrund seiner hohen Alginatkonzentration in Lebensmitteln wie Eiscreme und Salatdressing sowie in der Pharma- und Kosmetikindustrie verwendet.

Die „Laminaria-Tampons“ werden am Folgetag vor der Kürettage wieder entfernt, wobei die getrockneten Braunalgen-Stäbchen in einem ungewöhnlich zerfallenem Zustand sind. Der Eingriff an sich verläuft komplikationslos und die Patientin kann zeitnah entlassen werden. 

Nach fünf Tagen Sepsis mit Multiorganbeteiligung

Fünf Tage später wird die junge Frau wieder in der Klinik eingeliefert. Sie befindet sich zu dem Zeitpunkt bereits in einem medizinisch sehr ernsten Zustand: Sie leidet unter Fieber, Unterbauchschmerzen und Hypotonie. Die Untersuchungen ergeben stark erhöhte Entzündungswerte, eine Laktatazidose, eine intravasale Koagulation und eine Hypoxämie, hinzu kommen eine tiefe Beinvenenthrombose rechts sowie eine ischämische Hepatitis, sodass die Behandelnden die Diagnose eines septischen Schocks stellen.

Eine CT offenbart multiple septische Embolie und Blutkulturen sind positiv für Staphylokokkus aureus. Zudem wird in der Sonografie des Unterbauchs eine ausgeprägte Thrombose in der Vena ovarica dextra gesehen, die bis in die Vena cava inferior reicht. Aufgrund der Konstellation vermuten die Behandelnden eine intrauterine Infektionsquelle durch Restgewebe oder Fragmente der Laminaria-Tampons.

Vollständige Destruktion des Endometriums

Trotz sofortiger antibiotischer Therapie mit Piperacillin/Tazobactam und Clindamycin verschlechtert sich der Zustand der Patientin rapide, sodass sich ein interdisziplinäres Team für eine diagnostische Hysteroskopie entscheidet. Intraoperativ zeigt sich eine stark blutende, nekrotische Uterusschleimhaut - eine totale abdominale Hysterektomie mit bilateraler Salpingektomie ist notwendig. Die Histologie bestätigt die nahezu vollständige Destruktion des Endometriums mit Granulationsgewebe, fibrinoleukozytären Exsudaten, Mikroabszessen und entzündlicher Mitbeteiligung des Myometriums.

Nach der Operation scheint es erst aufwärtszugehen, doch dann erfordert eine diffuse alveoläre Hämorrhagie eine erneute Inkubation am vierten postoperativen Tag. Die Bakteriämie bleibt noch weitere zwei Wochen bestehen und mündet schließlich in einer infektiösen Endokarditis. Erst nach insgesamt 26 Tagen kann die Patientin in gebessertem Zustand entlassen werden. 

Laminaria - Gepresste Braunalgen aus dem Meer

Laminaria sind getrocknete Meeresalgen, die hygroskopisch wirken. Sie werden zur Dehnung des Zervikallkanals in diesen eingeführt - durch das Aufquellen weiten sie die Zervix, sodass intrauterine Eingriffe durchgeführt werden können. In der klinischen Praxis in Deutschland werden an Stelle von Laminaria meist pharmakologische Methoden wie Misoprostol oder Mifepriston zur Zervixreifung eingesetzt, doch auch osmotische Dilatatoren werden von der WHO empfohlen. In den USA werden Laminara häufiger verwendet. Die American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) empfiehlt osmotische Dilatatoren (Laminaria oder Dilapan-S) als sichere und effektive Methode zur Zervixvorbereitung vor D&E (Dilation and Evacuation) .

Fazit: Strenge Indikationsstellung und engmaschige Nachsorge

Dieser Fall illustriert, dass Laminaria-Tampons in seltenen Fällen schwerwiegende septische Komplikationen verursachen können. Entscheidend sind eine strenge Indikationsstellung, konsequente aseptische Technik sowie eine individualisierte Entscheidung über eine Antibiotikaprophylaxe, insbesondere bei Risikokonstellationen wie Eingriffen im zweiten Trimenon oder vorbestehenden Infektionen. Zudem ist eine engmaschige klinische Nachsorge unverzichtbar, da auch vermeintlich unkomplizierte Eingriffe fulminante septische Verläufe nach sich ziehen können.

 

Originalpublikation:
Ferreira, A., Mongrain, V. & Mardini, L. Laminaria tent use for dilation, extraction, and curettage leading to septic shock: a case report. J Med Case Reports 19, 419 (2025).
https://doi.org/10.1186/s13256-025-05238-7

Zusätzliche Literatur:
Handbuch für die klinische Praxis zum sicheren Schwangerschaftsabbruch, WHO, 2014

 

Bei den folgenden Kommentaren handelt es sich um die Meinung einzelner änd-Mitglieder. Sie spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

Zugang nur für Ärzte. Melden Sie sich an oder registrieren Sie sich, um die Community-Diskussion zu sehen.

Im Fokus – Fakten und Hintergründe

Krankenhausreform

MB sorgt sich um ärztliche Weiterbildung – und macht eigene Vorschläge

Der Marburger Bund ist besorgt, dass die ärztliche Weiterbildung durch die Klinikreform Schaden nimmt und fordert ein Gegensteuern im entsprechenden Anpassungsgesetz. Die Ärztegewerkschaft legt dazu eigene Vorschläge vor.

Bayern

Beitragsstreit immer skurriler– Kammer sagt Pressekonferenz ab

Nach einem Jahr Streit um Kammerbeiträge für Ruhestandsärzte spitzt sich die Lage vor dem 84. Bayerischen Ärztinnen- und Ärztetag zu. Ein Roundtable zwischen Kammerführung und Klägervertretern blieb ohne Annäherung – und die BLÄK sagt kurzfristig ihre traditionelle Pressekonferenz ab.

Direkter Facharztzugang und GOÄ-Abrechnung

BFAV und IKK schieben neues Vertragsmodell an

Auch in Zukunft kann für GKV-Versicherte der direkte Zugang zum Facharzt möglich sein – und eine Abrechnung über die GOÄ: Eine Krankenkasse aus dem hohen Norden und ein Facharztverband aus dem Süden stellen in diesen Tagen ein neues Vertragsmodell vor, das nach Auffassung der Beteiligten „ein neues Zeitalter für GKV-Versicherte“ einläuten könnte.

SMC-B-Karten und eHBA

Medisign-Kunden brauchen Geduld

Wer bei Medisign eine neue SMC-B-Karte oder einen elektronischen Heilberufsausweisen (eHBA) bestellt, braucht aktuell viel Geduld: Es komme zu verlängerten Lieferzeiten, so der Kartenhersteller. Die KVNO kritisiert „unverhältnismäßig lange Bearbeitungszeiten“.

änd-Umfrage

Ein Viertel der Praxen braucht IGeL zum Überleben

Für nicht wenige Vertragsärztinnen und -ärzte spielen Individuelle Gesundheitsleistungen eine so große Rolle – wenn sie diese nicht anbieten würden, könnte die Praxis wirtschaftlich nicht überleben. Das zeigt eine neue änd-Umfrage. Zwei Fachgruppen sind demnach besonders auf Selbstzahlerleistungen angewiesen.

Impfstoff Apexxnar

Drohende Regresse im Saarland abgewendet – aber nicht für alle Praxen

Drohende Regresse im Zusammenhang mit Pneumokokken-Impfungen hatten zuletzt Hausärztinnen und Hausärzte in mehreren Bundesländern in Aufruhr versetzt, so auch im Saarland. Dort haben KV und AOK nun offenbar eine Einigung erzielt.

Pflichtstart der ePA

Trotz Technikpanne – Gematik zieht positive Bilanz

Gleich am ersten Tag der verpflichtenden Nutzung der elektronischen Patientenakte kam es zu technischen Problemen. Die Gematik verweist jedoch auf eine schnelle Behebung und hebt hervor, dass die ePA längst im Versorgungsalltag angekommen sei.

Zi-Studie

„Die Hausarztpraxis ist der zentrale Ort der Akutversorgung“

Die Bedeutung der hausärztlichen Versorgung werde bei der Diskussion um die Einrichtung von Integrierten Notfallzentren (INZ) nicht ausreichend bedacht, kritisiert das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Dabei würden die meisten Akutfälle abschließend in Hausarztpraxen behandelt.

Ungewöhnliche Allianz

KBV und Kassen ziehen gegen versicherungsfremde Leistungen ins Feld

Selten stehen Ärzte und Krankenkassen so geschlossen Seite an Seite: In einem gemeinsamen Appell verlangen die KBV und der GKV-Spitzenverband von der Bundesregierung, milliardenschwere versicherungsfremde Leistungen aus der GKV-Finanzierung herauszulösen.

Verordnung von Prostatakrebs-Medikamenten

BvDU warnt vor „existenzbedrohenden“ Regressen für Urologie-Praxen

Nach Angaben des Berufsverbandes Urologie gibt es derzeit eine Reihe von Regress-Prüfverfahren gegen Urologie-Praxen im Zusammenhang mit der Verordnung von Zytiga und Abirasolon. Der BvDU sieht darin eine Existenzbedrohung für Praxen. Von Kassenseite ist hingegen zu hören, sie hätten die Praxen frühzeitig informiert.

KVWL-Jahreskongress 2025

Patientensteuerung: KVWL setzt auf Verbindlichkeit und Eigenverantwortung

Beim Jahreskongress der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe rückte die Zukunft der Patientensteuerung in den Fokus. Im Mittelpunkt standen verbindlichere Terminvergaben, eine verpflichtende Kontaktaufnahme über die Terminservicestelle und eine engere Verzahnung mit der Notrufnummer 112.

Digitalisierung im Gesundheitswesen

„Digitale Frustration ist weit verbreitet“

Fehlende Schulungen, unklare Zuständigkeiten und komplizierte Software – die Halbzeitbilanz des Forschungsprojekts HowToDigital zeigt, warum die digitale Transformation im Gesundheitswesen stockt. Die Forschenden fordern ein Umdenken: Technik allein reiche nicht.

Primärarztdebatte:

SpiFa-Hauptgeschäftsführer plädiert für GOÄ-Rechnung statt “All-Inklusive-Aufschlag”

Ein gesonderter Facharzttarif, mit dem sich GKV-Versicherte für 200 bis 350 Euro im Jahr den direkten Zugang zum Facharzt erhalten können – der Vorschlag aus der KBV machte in dieser Woche Schlagzeilen. Für Irritation sorgte der Vorstoß beim Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa).

ePA-Pflicht ab 1. Oktober

Reinhardt: „Mit jedem Eintrag wächst ihr Wert“

Ab 1. Oktober 2025 wird die elektronische Patientenakte (ePA) Pflicht. Befürworter sehen darin einen entscheidenden Schritt für bessere Behandlungskoordination und die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen. Zugleich betonen sie, dass der volle Nutzen nur durch eine konsequente Nutzung und kontinuierliche Weiterentwicklung der ePA erreicht werden kann.

CSU-Politikerin Zeulner

„Dürfen weder Beitragserhöhungen noch Leistungs­kürz­ungen als alternativlos hinnehmen“

Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen sind für Emmi Zeulner kein Ausweg aus der GKV-Krise. Die CSU-Abgeordnete und gelernte Krankenpflegerin fordert im änd-Interview Strukturreformen. Ein Primärversorgungssystem mit mehr Verantwortung für Pflegekräfte ist aus ihrer Sicht ein wichtiger Baustein, um Versorgungsqualität zu sichern und Beiträge langfristig stabil zu halten.

Neue Berufsbilder in der Praxis

Von der MFA zur Primary Care Managerin

35 Jahre lang war Kerstin Petermann in einer Hausarztpraxis in Bamberg als Medizinische Fachangestellte (MFA) tätig. Heute arbeitet sie dort als Primary Care Managerin und entlastet ihren Chef Dr. Christoph Ende bei medizinischen und Managementaufgaben.

Acht Millionen Euro Schadenersatz

KVWL verklagt Ex-Vorstand Thomas Müller

Schwer hatten verlustbringende Finanzanlagen in Gewerbeimmobilien die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) getroffen. Jetzt zieht sie gegen ihr eigenes, ehemaliges Vorstandsmitglied vor Gericht.

dm-Chef verteidigt Gesundheitsleistungen in Drogerie:

„Entscheidend ist, ob der Kunde einen Wert für sich erkennt“

Augenärztliche Untersuchungen, Hautanalysen und Bluttests zwischen Shampoo und Windeln: dm probiert aus, was im deutschen Gesundheitswesen bislang undenkbar schien. Im Interview mit dem änd verteidigt dm-Chef Christoph Werner das Modell – und erklärt, warum er Drogerien künftig als Teil der Gesundheitsversorgung sieht.

Kolumne

Darf man seine Praxis an einen Investor verkaufen?

Ist es moralisch in Ordnung, die eigene Praxis an einen Investor oder eine Klinikkette zu verkaufen? änd-Kolumnist Dr. Matthias Soyka beschäftigt sich heute mit dieser Frage - und hat einen Tipp für die Kollegen.

Hausärztinnen- und Hausärztetag

Algorithmen in der Praxissoftware sollen bei Regressgefahr warnen

Der Hausärztetag fordert die Eindämmung der „Regressflut" der Kassen. Neben einer Aufwandsentschädigung bei unbegründeten Prüfanträgen müsse es auch Algorithmen geben, die Ärzte in der Praxissoftware vor Regressfallen warnen.

Wofür steht der änd?

Mehr als 50.000 Ärzte lesen, diskutieren und teilen ihr Wissen. Kostenlos anmelden Nur für Ärzte!

Kollegenfragen - Diagnose und Behandlung

Sie brauchen einen Rat oder haben Antwort auf die Fragen eines Kollegen? Machen Sie mit

Jetzt Fragen stellen