Schmerzkongress Mannheim

Slush-Eis und Sex – wenn Genuss Kopfschmerzen bereitet

Die zwei häufigsten Kopfschmerzarten sind der Spannungskopfschmerz und die Migräne. Doch beim Schmerzkongress in Mannheim wurde auch ein Blick auf seltenere primäre Kopfschmerzarten geworfen. Diese treten bei Aktivitäten auf, die eigentlich angenehm sein sollten: Beim Eis essen oder im Rahmen von sexuellen Aktivitäten.

©Pattarisara/stock.adobe.com Viele Menschen trinken gerade in den Sommermonaten gerne eisgekühlte Getränke. Bei etwa der Hälfte der Menschen löst dies einen deutlichen Schmerz aus, der auf der Schmerzskala im Schnitt bei etwa fünf liegt (Symbolbild).

Kältebedingter Kopfschmerz (HICS)

Der kältebedingte Kopfschmerz, medizinisch als „headache attributed to ingestion or inhalation of a cold stimulus“ (HICS) und umgangssprachlich auch „Brainfreeze“ genannt, ist auf die Einnahme oder Inhalation eines Kältereizes zurückzuführen. „Früher nannte man das Phänomen icecream-headache“, erklärte Dr. Thomas Kraya vom Klinikum St. Georg in Leipzig. Es handelt sich dabei um einen kurz anhaltenden frontalen oder temporalen Schmerz, der intensiv sein kann und vor allem durch eiskaltes Wasser oder Eissorten wie Slush-Eis ausgelöst wird. In Versuchen mit Probanden war das Trinken von Eiswasser deutlich häufiger mit kältebedingten Kopfschmerzen assoziiert als das Lutschen von Eiswürfeln. 

Möglich ist es auch, dass äußere Reize, beispielsweise kalter Wind, diese Form von Kopfschmerzen verursachen. 

Prävalenz in der Bevölkerung hoch

Die Prävalenz hat Kraya selbst in einer Studie erforscht: Hierfür wurden 618 Fragebögen ausgewertet, die ergaben, dass 51,3 Prozent der Befragten HICS kennen, Männer und Frauen waren hierbei gleich häufig betroffen. Die Dauer des Kopfschmerzes betrug in 92,7 Prozent der Fälle weniger als 30 Sekunden und typischerweise war der Schmerz frontal oder parietal lokalisiert, in knapp 17 Prozent der Fälle auch okzipital. 

Familiäre Veranlagung

Eine weitere Studie untersuchte, ob es eine familiäre Prädisposition gibt. „Wenn Vater oder Mutter auch unter kältebedingtem Kopfschmerz leiden, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Kinder es auch kennen. Und wenn Eltern noch von anderen Kopfschmerzarten berichtet hatten, war dies ebenfalls ein Risiko für HICS bei ihren Kindern“, erklärte der Neurologe. Pathophysiologisch liege dem Schmerz eigenen Versuchen zufolge ein gesteigerter Blutfluss in der A.cerebra media zugrunde. 

Ponytail-headache“ und Schmerzen durch Hüte

Neben dem kältebedingten Kopfschmerz stellte der Oberarzt aus Leipzig noch zwei Kopfschmerzarten vor, die bei Druck und Zug auf den Kopf bzw. der Kopfhaut entstehen: Druck beispielsweise durch Hüte - auch wenn sie anamnestisch „gut sitzen“ - oder, und dies sei im Rahmen der COVID-19-Pandemie des Öfteren vorgekommen, durch eng anliegende FFP2-Masken. Außerdem kann Zug auf die Kopfhaut durch das Binden von Zöpfen und die damit verbundene Traktion am Weichgewebe Kopfschmerzen auslösen. Beide Phänomene verschwinden etwa eine Stunde nach Entfernen des äußeren Reizes. Es besteht eine Prädisposition beim weiblichen Geschlecht und bei Menschen mit Migräne. 

Primärer Kopfschmerz bei sexueller Aktivität (KSA) 

Der Name ist Programm: Der Kopfschmerz tritt bei sexueller Erregung auf und kann zu großen Verunsicherungen bei den Betroffenen führen. Diese sind nicht ganz unbegründet, erklärte Prof. Stefan Evers aus Coppenbrügge zu Beginn des Vortrags. „Die häufigste Ursache für geplatzte Aneurysmen ab einem Alter von 60 Jahren ist die sexuelle Aktivität.“ Das bedeute, dass bei jedem erstmaligen Auftreten von starken Kopfschmerzen im Rahmen von Geschlechtsverkehr oder starker sexueller Erregung der Ausschluss einer Subarachnoidalblutung oder arteriellen Dissektion obligat sei - vor allem im höheren Lebensalter. 

Der Kopfschmerz bei sexueller Aktivität verstärkt sich typischerweise mit der Erregung und entlädt sich explosionsartig vor oder mit dem Orgasmus. Die Dauer kann variieren und von einer Minute bis hin zu 24 Stunden in starker Intensität, oder bis zu drei Tagen in milder Intensität anhalten.

Männer häufiger betroffen

Es gibt zwei Altersgipfel: Einer liegt bei 20 bis 24 Jahren und einer bei 35 bis 44 Jahren. Männer sind drei- bis viermal häufiger betroffen. In 19 bis 47 Prozent der Fälle besteht eine Komorbidität mit einer Migräne, die genauen pathophysiologischen Mechanismen seien aber bislang ungeklärt. Womöglich liegt dem KSA eine Störung der zerebralen metabolischen Autoregulation zugrunde. Eine manifeste arterielle Hypertonie liegt nur bei acht Prozent der Betroffenen vor, dennoch finde man bei Personen, die an KSA leiden, einen stärkeren Blutdruckanstieg als bei gesunden Kontrollpersonen.

Hinsichtlich der Symptomatik könne „alles auftreten“: Die Schmerzen könnten dumpf drückend, messerstichartig oder pulsierend sein, außerdem könne er diffus verteilt oder frontal oder okzipital lokalisiert sein - offizielle Kriterien gebe es nicht, so Evers. 

Therapie meist nicht notwendig

„Üblicherweise ist der KSA aber kein lebenslanges Problem“, fügte der Neurologe hinzu. Oft ließen die KSA nach mehreren Wochen ohne spezifische Therapie wieder nach. 

Zwar helfe beispielsweise Indometacin sehr gut und auch Triptane seien bei 50 Prozent der Patientinnen und Patienten wirksam, doch meistens würden die Betroffenen auf die Einnahme verzichten, wenn sie von der Harmlosigkeit der Erkrankung erfahren. Prophylaktisch könne helfen, vor dem Geschlechtsverkehr Indometacin einzunehmen - auch wenn das ein wenig die Spontaneität störe - und eher eine eher passive Rolle einzunehmen. Auch eine etwas abgeschwächte Erregung könne helfen. 

Betablocker könnten prophylaktisch eingesetzt werden, insbesondere bei Personen, die dauerhaft unter dieser Art von Kopfschmerzen leiden. „Betablocker sind wirklich wirksam in der Prophylaxe - nicht nur bei Männern, weil Betablocker auch Erektionsstörungen auslösen können“, erläuterte der Fachmann mit einem Augenzwinkern. 

Abschließend betonte er aber nochmals, wie wichtig die Abgrenzung zu gefährlichen sekundären Kopfschmerzformen sei, wenn Betroffene sich mit der Erstmanifestation vorstellen.  

Bei den folgenden Kommentaren handelt es sich um die Meinung einzelner änd-Mitglieder. Sie spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

Zugang nur für Ärzte. Melden Sie sich an oder registrieren Sie sich, um die Community-Diskussion zu sehen.

Im Fokus – Fakten und Hintergründe

Erste Kopie der Patientenakte gratis

Bundestag folgt EuGH-Urteil

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2023 klargestellt hat, dass Patientinnen und Patienten Anspruch auf eine kostenlose Kopie ihrer Behandlungsakte haben, hat der Bundestag ihn nun auch im nationalen Recht verankert.

Bundesrat billigt Sparpaket

„Die finanzielle Lage der GKV ist dramatisch“

Mit deutlichen Worten zur Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung hatte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken im Bundesrat um Zustimmung für das umstrittene GKV-Sparpaket geworben. Nach einer kontroversen Debatte billigte die Länderkammer die Maßnahmen am Freitagnachmittag und stellte zugleich größere Reformen für die kommenden Jahre in Aussicht.

Digitalisierung im ländlichen Raum

„Aufgaben, die man einer Maschine übertragen kann, sollte man übertragen“

Investitionen in die Digitalisierung des Gesundheitswesens helfen bei der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen, ist ein in Kanada und Deutschland tätiger Mediziner überzeugt. Wichtig dabei: Die Lösungen müssen in regionale Strukturen eingebettet sein.

KVB fordert Kurswechsel

„Ohne Eigenbeteiligung geht es nicht weiter“

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns kritisiert die Untätigkeit der Bundesregierung: Steigende stationäre Kosten, fehlende Patientensteuerung und ausufernde Leistungsversprechen gefährdeten die ambulante Versorgung. Die KV fordert ein Ende des „ungedeckelten Leistungsversprechens“ und mehr Eigenverantwortung der Patienten.

Kassenumfrage

Bekanntheit steigt, Nutzung noch ausbaufähig

Die Nutzung der elektronischen Patientenakte ist für Praxen seit rund zwei Monaten verpflichtend. In der Folge ist die Bekanntheit bei Patienten gestiegen. Allerdings nutzt weniger als ein Viertel von ihnen die ePA aktiv.

Nach erneuter Niederlage vor Gericht

Ärztekammer lenkt im Streit um Beitrags­bescheide überraschend ein

Schon seit Jahren streitet sich Dr. Matthias Parpart mit der Ärztekammer Niedersachsen. Es geht dabei um mehrere Beitragsbescheide, gegen die der Hausarzt Widerspruch eingelegt hat. Dreimal schon hatte er Erfolg vor Gericht. Was die noch ausstehenden Verfahren betrifft, hat es jetzt eine überraschende Reaktion der Ärztekammer gegeben.

KBV warnt:

Neue TI-Verschlüsselung kann ab Januar haken

Zigtausende Komponenten wurden in den vergangenen Monaten ausgetauscht, Arzt- und Praxisausweise verlängert. Dennoch warnt die KBV: Zum Jahreswechsel kann es vereinzelt zu Zugangs- und Übermittlungsproblemen in der TI kommen. Woran es dann liegen könnte – und wie Praxen sich jetzt absichern.

Rentenpläne der Koalition

Versorgungswerke warnen vor Einbeziehung der Freien Berufe

Die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) hat vor den Konsequenzen einer sogenannten Erwerbstätigenversicherung gewarnt, insbesondere mit Blick auf die Versorgung von Freiberuflern.

KBV-Vize Hofmeister zum Primärarztsystem

„Aus unserer Sicht ist das die sauberste, fairste und pragmatischste Lösung“

Noch liefert die Politik keine Antwort darauf, wie ein Primärarztsystem am Ende wirklich aussehen sollte. Die KBV hat dagegen schon sehr konkrete Vorstellungen: Ein Gespräch mit KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister über Patientensteuerung, Lehren aus anderen Ländern, die Zukunft von HZV-Verträgen und zögernde Politiker.

Kelber zerlegt die ePA-Pläne des Bundes

„Digitalisierung ja – aber nicht so“

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Prof. Ulrich Kelber hat auf einer Veranstaltung der „Freien Ärzteschaft“ (FÄ) am Samstag in Düsseldorf umfassende Kritik an den Digitalisierungsprojekten im Gesundheitswesen geübt. Digitalisierung sei unverzichtbar, werde aber politisch und technisch mangelhaft umgesetzt.

GKV-Spitzenverband legt Digitalstrategie vor

Kassen wollen zentrales Terminverzeichnis für alle Praxen

Der GKV-Spitzenverband fordert in seiner neuen Digitalstrategie deutlich erweiterte Rechte für Krankenkassen: von tagesaktuellen Patientendaten über KI-gestützte Präventionsangebote bis hin zu einer bundesweiten Plattform, auf die alle Praxen freie Termine melden müssen.

Digitalisierung

Steiner: „Wir fordern ein Praxiszukunftsgesetz“

Bei der Weiterentwicklung der Digitalisierungsstrategie muss die Stabilität der Telematikinfrastruktur (TI) im Zentrum stehen. Zudem müssten hybride Prozesse durchdigitalisiert werden. KBV-Vorständin Dr. Sybille Steiner forderte am Rand der Vertreterversammlung auch ein Praxiszukunftsgesetz.

Gassen bei der KBV-VV

„Sparen wir uns doch einfach diese 43 Millionen Termine“

Bei den Niedergelassenen noch mehr sparen? Für KBV-Chef Dr. Andreas Gassen eine absurde Forderung. „13 Prozent der Termine im fachärztlichen Versorgungsbereich finden ohne Bezahlung statt“, betonte er bei der KBV-VV – und präsentierte einen Sparvorschlag der anderen Art.

Zi-Umfrage

Personalmangel ist Hauptgrund für Zögern bei der Niederlassung

Trotz Trend zur Teilzeitarbeit: Eine eigene Praxis ist für die meisten angestellten Ärztinnen und Ärzte durchaus eine Option. Doch insbesondere ein Problem lässt sie zögern.

Arbeitszeiterfassung

Erste Klage vor dem Arbeitsgericht gegen Uniklinik

Der Marburger Bund sieht erheblichen Verstöße gegen tarifvertragliche Vereinbarungen zur Arbeitszeiterfassung. Das erste Mitglied hat deshalb jetzt seinen Arbeitgeber verklagt: Ein Oberarzt zieht gegen die Uniklinik Greifswald vor Gericht.

Per Quereinstieg in die Hausarztpraxis

„Dieses System bietet viele Möglichkeiten für Leute, die Bock haben“

Vor acht Monaten haben Dr. Sven Kürten und Dr. Matthias Leiter einen deutlichen Cut in ihrem Berufsleben gemacht: Als allgemeinmedizinische Quereinsteiger haben die langjährigen Klinikärzte eine Hausarztpraxis übernommen. Über ihre Beweggründe hat der änd damals schon mit den beiden gesprochen – und fragt jetzt erneut nach: Wie ist es ihnen seitdem ergangen?

Praxissoftware

„Die Angst vor dem Wechsel ist oft größer als das reale Risiko“

Die Zahl der Praxissoftware-Anbieter wächst, zugleich steigt der politische Druck für mehr Transparenz und Interoperabilität. Dennoch bleibt der Softwarewechsel für viele Praxen eine Horrorvorstellung. Ein Gespräch mit KVWL-Vize Anke Richter-Scheer und KV-Bereichsleiter Jakob Scholz über Ängste, Rahmenbedingungen und praktische Tipps.

TI-Atlas 2025

Praxen nutzen die ePA breit, klagen aber über Stabilität

Mehr als zwei Drittel der Arztpraxen sind mit der Umsetzung der elektronischen Patientenakte in ihrer Praxissoftware zufrieden. Das geht aus ersten Ergebnissen des TI-Atlas 2025 hervor. Zugleich gaben nur 60 Prozent der Praxen, Apotheken und Krankenhäuser an, die ePa laufe stabil und zuverlässig.

Scharfe Kritik an SPD-Bereinigungsvorschlag

SpiFa macht seinem Ärger in Offenem Brief Luft

Der Vorschlag aus den Reihen der SPD, bei der ambulanten fachärztlichen Versorgung zu sparen, um die GKV finanziell zu entlasten, lässt der niedergelassenen Fachärzteschaft keine Ruhe. Der SpiFa lässt seinen Frust nun in einem Offenen Brief an die AG Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion raus.

Primärversorgungssystem

Warken sieht in Digitalisierung wichtigen Baustein

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will beim Aufbau eines Primärversorgungssystems verstärkt auf Digitalisierung setzen. Das hat die CDU-Politikerin bei der Digital Health Conference in Berlin betont. Sie versprach zudem, die Telematikinfrastruktur stabiler zu machen.

Wofür steht der änd?

Mehr als 50.000 Ärzte lesen, diskutieren und teilen ihr Wissen. Kostenlos anmelden Nur für Ärzte!

Kollegenfragen - Diagnose und Behandlung

Sie brauchen einen Rat oder haben Antwort auf die Fragen eines Kollegen? Machen Sie mit

Jetzt Fragen stellen